Klaus Kugler (KünstlerGilde Esslingen) in seinem Atelier
© Eva Beylich, Klaus Kugler

Kreativität, Originalität und Innovationsfreude

Klaus Kugler ist sicherlich einer der kreativsten, innovationsfreudigsten und originellsten Künstler der KünstlerGilde zur Zeit. Originalität war im England des 18.Jh. einmal zum Merkmal und Unterscheidungskriterium von Kunst erhoben worden, und damit nimmt Klaus Kugler eine Position an der Spitze ein. Beauty is in the eye of the beholder – die Bilder sind offen für Interpretation und jeder kann für sich etwas entdecken.

Arbeitsweise & künstlerische Facetten

Wer, wie wir, Zugang zum Atelier und Wohnbereich Kugler bekommt und die Fülle seiner Arbeiten sieht, ist erst einmal überwältigt und man möchte am liebsten mit der Lupe vor den Bildern stehen bleiben, um kein Detail zu übersehen. Es ist aber nicht nur die Feinheit und Präzision seiner Arbeiten oder sein Einfallsreichtum, es ist die ungewöhnliche Kombination von Techniken und die frappierenden Wirkungen, die er damit erzielt.

Klaus Kugler arbeitet z.B. mit Leiterplatten aus der Elektrotechnik, die er übermalt, plastisch überformt, abdruckt und diese Drucke wiederum mit Radierungen überlagert oder mit Grisaillen anreichert. Er überblendet oder verbindet verschiedene Realitäten und Realitätsebenen, spielt dabei mit verschiedenen Perspektiven, baut Zitate aus der Kunstgeschichte ein und erzielt damit völlig neue Wirkungen und Zusammenhänge. Dabei spielt auch die Verwendung von aleatorischen Techniken wie der Décalcomanie (von Leonardo da Vinci erstmalig erwähnt und von Max Ernst bekannt gemacht) eine große Rolle. Er setzt sie als Bildgrund ein, der Inspirationen für die Weiterarbeit liefert. Durch die Kombination der Elemente entstehen fruchtbare Spannungsfelder, die zur Kontemplation und Deutungsversuchen anregen.

Literarische Elemente

Die Bilder sind neben der Ästhetik auch ein intellektuelles Vergnügen, bei dem Kenntnisse aus der Kultur- und Kunstgeschichte durchaus hilfreich sein können. Kugler verwendet Zitate von Altdorfer, Dürer, Hans Baldung Grien, Grünewald, Hieronymus Bosch, Palladio bis in die Romantik zu Moritz von Schwind, dessen Rübezahl im Décalcomanie-Wald auftaucht. Teilweise wohl spielerisch, vieles ernsthaft wie ein Johannes der Täufer, der auf die Wunde eines Baumes zeigt. Assoziationen sind gewünscht oder eingeplant. Spannungsfelder zwischen Industrie, Technik und Kultur, Geschichte und Gegenwart, Monströsem und Idylle dürfen entziffert werden. Literaturthemen wie z.B. im Dante-Zyklus oder auch romantische Themen wie Eichendorffs „Aus dem Leben eines Taugenichts“ werden in neuen Zusammenhängen verfremdet.

Exemplarische Werke

Kugler-Radierung

Letzteres, unsere erste erstandene Kugler-Radierung, möchte ich hier als erstes Beispiel für die Verwendung verschiedener Realitätsebenen beispielhaft einsetzen. Der Betrachter sieht zuerst ein gespanntes Tuch, geschlitzt und mit einer Kordel zusammengezogen wie ein Zeltdach. Dieses Tuch teilt die Welt in eine idyllische Oberwelt und, durch den Schlitz zu sehen, in eine düstere Unterwelt. In der Oberwelt enteilt eine Kutsche in die Ferne zu einer Stadt und passiert dabei eine Hügellandschaft, die deutlich die Form weiblicher Brüste annimmt und damit auf die erotische Komponente der Novelle verweist. Eine beschwingte Szenerie aus einer leichtlebigen Adelswelt, in hartem Gegensatz zu der höhlenartigen Unterwelt, bei der der Blick von der elterlichen Mühle des Protagonisten langsam über Treppenstufen in mit Steinen und Schluchten durchsetzte Gewölbe gleitet, die teils an Hochhäuser gemahnen und eine Ahnung von industrieller Revolution erwecken. Eine Arbeitswelt, die Unbehagen ob der Düsternis hervorruft. Uns hat dieses Bild an eine futuristische Episode aus H.G.Wells „Time Machine“ erinnert, in der die Menscheit in zwei Spezies geteilt ist, in die unteridische Sphäre der Morlocks, die in industriellen Verhältnissen in Lärm und Schmutz arbeiten, aber gleichzeitig die Lebensgrundlage schaffen für die leichtlebigen Eloi, die an der Oberfläche in Luxus schwelgen, aber nicht wissen wollen, dass sie das Fleisch für die kannibalischen Morlocks liefern. Oben und Unten, man kann so seine Assozationen bekommen.

Charons Barke

Eine wesentlich düsterere Radierung stammt aus dem Dante-Zyklus, Inferno, III. Gesang, und wird „Charons Barke“ genannt. Ein Gefährt, mehr Floß als Schiff, erweckt eine Assoziation an Géricaults „Floß der Medusa“. Das Gefährt segelt über ein Gewässer, das der Acheron sein muss, auf ein Ziel in der Vorhölle zu. Ein riesiges Segel bläht sich von einem Mast, der ein Rückgrat ist, von einem Schädel gekrönt. Das Deck ist wie ein Theaterkasten in zwei Sektionen geteilt, getrennt durch eine Mauer mit Stacheldraht: Links ein Bereich wie eine bürgerliche Wohnung, High-Society in Partystimmung, eine Dame im Bikini im Zentrum dabei; rechts eine andere Situation: Vor einem Schild „DDR“ steht eine Menschenansammlung, sei es eine Demonstration oder eine Schlange vor einem HO-Geschäft. Also das geteilte Deutschland auf dem Weg in die Vorhölle, Datum 1966. Es ist die Zeit des Kalten Krieges, mit uns in der Mitte der potentiellen Kampfzone, auf die Raketen von beiden Seiten zielten. Vielleicht eines von Klaus Kuglers politischsten Bildern. Mehrere Realitäten vereint, Geschichte und Gegenwart.

Der Neue Tag

Aus der gleichen Serie scheint eine weitere Radierung zu stammen, „Der Neue Tag“ von 1966, eine Hommage à Romain Rolland. Eine Christopheros Figur mit einem Kind auf der Schulter entsteigt einer schachtartigen Welt, an deren Grund man ein Bomben- oder Raketensilo erkennen kann. Ist der „Neue Tag“ der Anbruch einer besseren Zeit durch Gorbatschows Perestroika?

Der Optimist Klaus Kugler

Klaus Kugler bezeichnet sich selbst als Optimisten. Viele seiner Bilder strahlen bei aller Dichotomie zwischen industriellem, technischem Flair der Leiterplatten und einem gemalten helleren Hintergrund mit beinahe idyllischen Elementen eine positive Grundstimmung aus, die – auch farblich – an Barockmalerei erinnern könnte. Auch wenn die Leiterplatten zu geborstenen Säulen, Ruinenlandschaften oder zerstörten Wäldern mutieren, so bleibt ein heiteres Element, das wohl von den hellen Blau- und Brauntönen stammen könnte.

Über Klaus Kugler

Ein paar biographische Daten sollten noch hinzugefügt werden. Klaus Kugler ist 1942 in Wostitz geboren, damals Südmähren, und wurde im Alter von drei Jahren zusammen mit seinen Eltern von den Tschechen vertrieben. Vielleicht liefert das ein untergründiges Leitmotiv für einige seiner Bilder.

Seine künstlerische Ausbildung erhielt er zuerst an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart bei Prof. Peters (1963-1965), um dann nach Wien an die Meisterschule für Graphik bei Prof. Maximilian Melcher zu wechseln, die ihm wohl eine bessere Grundlage für seine künstlerische Entwicklung abseits der vorherrschenden Ausrichtung auf die Abstraktion bot.

Seit 1969 bis zu seinem Ruhestand 2005 war er in Weil der Stadt als Kunsterzieher tätig. Seit 1979 lebt und arbeitet Klaus Kugler in Simmozheim, wo er sein eigenes Atelier hat. Seine Werke sind in zahlreichen öffentlichen Sammlungen vertreten, und er hat viele Preise bekommen – z.B. 1976 die Bronzemedaille im XVIII Salon International Paris sowie 1979 die Silbermedaille in Regensburg bei der „Hommage à Altdorfer“, Ostdeutsche Galerie.

Wir wünschen Klaus Kugler eine unbegrenzte Kreativität und Kraft für viele neue faszinierende Werke.

Eva und Udo Beylich
für die KünstlerGilde e.V.
anlässlich eines Atelierbesuchs am 21. März 2023

Klaus Kugler: Aus dem Leben eines Taugenichts (Radierung, 1974)
Klaus Kugler: Charons Barke - Danke, Inferno III, Gesang (Ätzradierung, 1966)
Klaus Kugler: Vedute II
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© Klaus Kugler (Werke) & Eva Beylich (Fotos)

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