Lieber Dietmar

wir beneiden Dich: Bundesverdienstkreuze haben etliche Mitglieder, Kunstpreise haben viele unserer Künstlerinnen und Künstler, andere sind Mitglied dieser oder jener Akademie. Na, das hast Du alles auch, Bundesverdienstkreuz, Stamitzpreis, pro-arte-Medaille, Mitglied in der Sudetendeutschen Akademie. Aber was unterscheidet Dich von ihnen? Nun? Richtig, Du hast von einem leibhaftigen Papst, von Papst Benedikt XVI., eine Medaille bekommen anlässlich einer Aufführung Deiner Messe im Petersdom. So, jetzt wissen wir schon einiges von Dir. Wenn ich jetzt Deinen Lebenslauf aufzählen wollte, dauerte das länger als jedes unserer Telefongespräche.

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Dr. Dietmar Gräf (© Michael Dirk)

Lieber Dietmar, wir bewundern Dich, wie Du Stamitzpreise und Konzerte organisiert hast. Nun planst Du sogar die Oper Jan Hus in Regensburg aufzuführen. Dir war kein Weg zu weit, ein Tag immer zu kurz.

Lieber Dietmar, wo bist Du nicht überall als Komponist, Dirigent, Organist und Pianist aufgetreten? Selbst trompetend und singend hast Du uns erfreut. War es in Bukarest, in Brünn, in Regensburg, war es in Russland, im weiten Amerika oder so oft im nicht so weiten Italien oder wo auch immer auf dieser Welt.

Lieber Dietmar, öfters einmal hast Du mir musiktheoretische Vorträge gehalten, von denen ich als unmusikalischer Mensch nicht einmal die Hälfte verstanden habe, ehrlicher nicht einmal ein Zehntel. Aber ich weiß auf alle Fälle jetzt mehr als vorher.

Lieber Dietmar, wir danken Dir, dass Du die KünstlerGilde so oft ideell und großzügig finanziell unterstützt; Deine Fahrt- und Hotelkosten hast Du wegen unserer armutsbedrohten Kasse selber getragen. Wie oft bist Du zum Bäcker neben unserer Geschäftsstelle gegangen und hast dafür gesorgt, dass wir während unserer Vorstandssitzungen nicht hungern und dürsten mussten.

Lieber Dietmar, wir erinnern uns an die größte Katastrophe Deines Lebens: In der Bäckerei nebenan hattest Du Deinen Hut liegengelassen. Indessen happyendete der Verlust. Ein ehrliche und zudem hübsche Verkäuferin bewahrte ihn auf, Du konntest wohlbehütet wieder Deiner Wege ziehen.

Lieber Dietmar, wenn es um Kunst ging, wie oft haben wir hart, heiß und heftig gestritten? Und angedroht, einander zu erwürgen, nur um danach wieder beste Freunde zu sein und zu bleiben. Freundinnen und Freunde hast Du unzählige vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang. Meiner vorsichtigen Zählweise zufolge sind es mindestens zehntausend.

Lieber Dietmar, wenn unsere Zeitschrift Beiträge zur Musik erbat, ließest Du Dich nicht lange bitten. Was wir neben ihrer Qualität besonders zu schätzen wussten: So gut wie nie benötigten die Texte eine Korrektur wegen eines vergessenen Kommas oder einem zu viel oder zu wenig getippten Buchstabens.

Lieber Dietmar, es danken Dir und gratulieren Dir zum 80. verbunden mit allen guten Wünschen der Vorstand, die Mitglieder und alle Musik liebenden Menschen im Abendland und allen Enden der Erde.

Autor: Rainer Goldhahn

Nimmermüder Könner und Tausendsassa

„Wenn wir unser Leben mit Leidenschaft leben, kämpfen wir mit unseren Herzen: Wir wagen zu hoffen und zu träumen ohne ein Scheitern zu befürchten. Ein hohes Ziel beflügelt uns, um eine Welt grenzenloser Möglichkeiten zu umarmen. Versteckte Talente und Fähigkeiten erwachen im Angesicht der Herausforderung und Begeisterung. Und wir erkennen uns selbst als Menschen größer und stärker als wir uns jemals erträumt hätten zu sein.“

Patanjali, indischer Gelehrter und Verfasser des Yogasutra, 5.-4. Jahrhundert v. Chr.

Tausendsassa, Workaholic, ganz egal, welchen Versuch man unternimmt, die überbordende Schaffenskraft des Jubilars trefflich beschreiben zu wollen, sie alle verfehlen ihr Ziel. Dietmar Gräf ist ein Kosmos in sich, d.h. er funktioniert in sich und ist daher mit handelsüblichen Maßstäben nicht zu messen.

Im beschaulichen Marienbad, in welchem die Elite von Kunst und Kultur über Jahrhunderte sich ein Stelldichein gaben, erblickte am 1. Juni 1943 Dietmar Gräf das Licht der Welt. Doch bald schon, im Dezember 1945, floh die Familie als Folge des Krieges mit dem zweieinhalbjährigen Jungen und fand ein neues Zuhause zunächst in Bayreuth. Dort absolvierte er seine schulische Grund- und anschließende Berufsausbildung, welche mit dem Abschluss zum Drogisten und Kaufmann vorerst endete. Als hätte die musikgeschwängerte Luft Bayreuths dazu beigetragen, begab sich der nun Zwanzigjährige zum Musikstudium an die Kath. Kirchenmusikschule in Regensburg, die er drei Jahre besuchte. Damals bereits, zielstrebig und fleißig, besuchte er das Abendgymnasium, gab Klavierunterricht und vieles mehr, um sich seinen Lebensunterhalt aufzubessern. Nach Abschluss folgte eine zweijährige Tätigkeit als Lehrer der bekannten Regensburger Domspatzen.

Als eine wesentliche Zäsur stellte sich seine Arbeit als Domkapellmeister in Eichstätt heraus, die er wegen musikalischen und liturgisch unterschiedlichen Auffassungen bereits nach einem Jahr kompromisslos aufgab. Danach drängte es Dietmar Gräf in einem erneuten Studium, seine Kenntnisse auf dem Gebiet der Kirchenmusik und zusätzlich der Schulmusik, sowie den Konzertfächern für Klavier, Orgel, Dirigieren und Tonsatz, an den Musikhochschulen in München und Würzburg zu erweitern und zu ergänzen. Den Höhepunkt seiner beruflichen Ausbildung bildet zweifellos der Besuch der Dirigiermeisterklasse von Prof. Swarowsky in der Musikstadt Wien.

Jetzt hat er nicht nur seinen beruflichen Weg gefunden, sondern sein Lebensweg eine unerschütterliche Orientierung erhalten. Es folgte 1973 die Gründung des Förderpreises für Symphonie- und Kammerkonzerte, den es bis heute gibt.

Von 1969-80 war Dietmar Gräf Schulmusiker an den Gymnasien in Studienratslaufbahn in Mindelheim, Bamberg und München. Parallel zu seiner beruflichen Tätigkeit begann er 1976 weitere Studien in Musikwissenschaft, Didaktik der Musik und wissenschaftliche Pädagogik an der LMU mit den Abschlüssen Magister und Promotion zum Doktor phil., wo er von 1981-2003 Dozent für Klavier, Orgel und Methodik war.

Seine hervorragenden Fähigkeiten als Pädagoge mündeten unter anderem in einer Mitarbeit an der Schulbuchreihe „Spielpläne für Musik für Gymnasien“, Klettverlag, „Die Veränderbarkeit der Einstellung zur Musik und zum Musikunterricht durch Werkanalyse“, Frankfurt am Main (u.a.) sowie der Buchpublikation: „Der Choral Gregors des Großen“, Frankfurt am Main (u.a.)

1978 erfolgte die Gründung der bis 2014 existierenden „musica sacra chores“ unter seiner Leitung in Bad Wörishofen, wo er von 2009-2013 Intendant und Musikalischer Leiter des Kneipp-Musik-Festivals-Bad Wörishofen war.

1999 trat Dr. Dietmar Gräf der KünstlerGilde in Esslingen bei. In dieser 1948 von Malern, Musikern und Literaten, sowie Filmemachern und Theaterleuten, die Ende des Zweiten Weltkrieges ihre Heimat verlassen mussten, gegründeten Künstlervereinigung blieben nicht nur die bildenden Künstlerinnen und Künstler unter ihresgleichen, wie in den meisten Künstlerverbänden und -vereinen, sondern trafen auch auf Künstler anderer Sparten. Diese verschiedenen Sparten als Fachgruppen in einer Künstlervereinigung zusammengeführt, ist ein Spezifikum mit Seltenheitswert.

Ab 2013 war Dietmar Gräf Fachgruppenleiter für Musik; 2015 übernahm er engagiert und voller Enthusiasmus die Stellvertretung des damaligen Bundesvorsitzenden, womit eine Ära der Wiederbelebung der Fachgruppen begann. Mit seinem kompromisslosen Anspruch an künstlerischer Qualität in sämtlichen Disziplinen musikalischer Ausdrucksformen war Dietmar Gräf prädestiniert für den Jury-Vorsitz des renommierten Johann-Wenzel-Stamitz-Preises der KünstlerGilde. In dieser Funktion gelang es ihm immer wieder, mit den gekürten Kandidatinnen und Kandidaten nicht nur zu überraschen, sondern vor allem auch zu überzeugen. Eine Besonderheit dieses Preises ist, dass er stets in dem Ort verliehen wird, an welchem der Preisträger den Mittelpunkt seines Wirkens hat; zum Beispiel an Prof. Acker in Mannheim, Görsch in Bremen, Grohs in Weimar, Heller in Augsburg, Kolař in Brünn, Willscher in Hamburg oder Popa in Bukarest. Stets souverän, mit großem Organisationstalent und höchstem persönlichen Einsatz hat Dietmar Gräf, selbst Preisträger von 2010, diese Veranstaltung zu einem unvergesslichen Ereignis gemacht.

Auch wenn das nur einen Bruchteil seiner Tätigkeit in der KünstlerGilde betrifft, zeigt er doch deutlich seine optimistische Arbeitsweise und unermüdlichen Arbeitseinsatz, der nicht nur von großem inneren Engagement, sondern auch von tiefer Gläubigkeit getragen ist.

Viele Auszeichnungen, Preise, Ehrungen und Würdigungen säumen seinen bisherigen Lebensweg, darunter die Verleihung der Goldmedaille für Verdienste um die Kirchenmusik durch Papst Benedikt und Auftritte im Petersdom, die Janaček-Medaille in Gold durch Staatspräsident Vaclav Havel und der Sudetendeutsche Kulturpreis für Musik, sowie die silberne und goldene Verdienstmedaille der Stadt Bad Wörishofen und das Bundesverdienstkreuz am Bande.

Über 500 Kompositionen, ca. 2.000 Konzerte im In- und Ausland, darunter England, Frankreich, Italien, Ungarn, Russland, Kanada, Chile, Rumänien, Tschechien, Schweiz, Film-, Funk-, Fernseh- und Tonträgeraufnahmen, zeugen von seiner Schaffenskraft.

Als jahrelang zuverlässiges und engagiertes Mitglied des Vorstandes, stets hochgeschätzt, rufen wir, der Vorstand der KünstlerGilde Esslingen, sowie ich, Hansjürgen Gartner als Freund Dir zur Vollendung Deines achtzigsten Lebensjahres aus vollem Herzen zu: „Ad multos annos!“!

Autor: Hansjürgen Gartner

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Dr. Dietmar Gräf zum 80.